Erwerbspotenzial in der Sozialhilfe in Wien

Die Studie „Erwerbspotenzial in der Sozialhilfe“ ist die bisher umfassendste in ganz Österreich zum Themenbereich der Sozialhilfe. Die Untersuchungsgruppe waren „erwerbsfähige“ SH-BezieherInnen im Zeitraum 2000-2008.

Die Forschungsarbeit stellt auch insofern ein Novum dar, als Daten aus verschiedenen Quellen (Sozialhilfedaten, Hauptverbandsdaten, Förderdaten des AMS, Daten des waff) verwoben und ausgewertet wurden. Weiters wurden mehr als 500 Repräsentativinterviews mit SH-BezieherInnen abgehalten. Zusätzlich erstellte das Partnerinstitut forba eine qualitativ ausgerichtete Detailstudie.

Dadurch wurde es erstmals möglich, Erwerbspotenziale auszuloten, Daten zur Wirkung von arbeitsmarktpolitischen Interventionen auf Sozialhilfe-BezieherInnen zu generieren und detaillierte Einsichten zu Vorkarrieren, Problemlagen und Kompetenzen der BezieherInnen zu erlangen. Wesentliche Forschungsergebnisse flossen bereits in die Vorbereitungsarbeiten für die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) ein.

Mit Besorgnis mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass die Verwundbarkeit der Erwerbsbiographie von Menschen zunimmt und neue Gruppen erreicht. Demnach schützt auch eine gute Ausbildung und langjährige Anwesenheit im Arbeitsmarkt nicht mehr vor dem Sturz in das letzte Sozialsystem. Es fanden sich sechs Muster: Verlust der Erwerbstabilität durch plötzliche Veränderungen, Abwärtsspiralen, prekäre Biographien, schwierige Berufseinstiege, lange Unterbrechungen und Chaosbiographien aufgrund geringer sozialer Ressourcen. Brüche zeigten sich in Folge von gesundheitlichen Einbrüchen, von kritischen Ereignissen wie Scheidung, Tod des Partners oder der erziehenden Mutter, unternehmerischen Risikos. In anderen Fällen führen schlechte Startbedingungen am Arbeitsmarkt vor dem Hintergrund geringer Ressourcen in die Abhängigkeit von Sozialhilfe.

Zu den Risikoprofilen von „erwerbsfähigen“ SH-BezieherInnen zählen wir Personen ohne verwertbare Ausbildung (45%), Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen (41%), Personen mit Pflege – und Betreuungspflichten (21%), Personen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft (30%), Personen mit „privaten“ Problemen (48%) und Personen mit geringer Beschäftigungsmotivation (10%).

Diese Risikogruppen bedürfen – so unsere These – jeweils spezifischer Unterstützungsangebote und Betreuungsstrukturen. Aus der Repräsentativbefragung ergibt sich insofern ein relatives klares Bild, als diese gezeigt hat, dass der weitaus größte Teil der SozialhilfebezieherInnen trotz aller Belastungen den großen Wunsch äußert, Arbeit zu finden und wirtschaftlich wieder unabhängig zu werden. Allerdings weisen auch viele Sozialhilfebezieher­Innen multiple Probleme auf, welche einer Job-Readiness entgegenstehen. Diese Situation erfordert eine spezielle Herangehensweise bei der Betreuung und Unterstützung von SozialhilfebezieherInnen und zielt zum Einen auf das Angebot von Coachingformen ab, die imstande sein müssen, durchaus unterschiedliche Problemlagen Schritt für Schritt zu bearbeiten.

Zum Anderen wurde ersichtlich, dass seitens der SozialhilfebezieherInnen ein hoher Bedarf an beruflicher Aus- und Weiterbildung und am Erlangen von Ausbildungsabschlüssen besteht. Gleichzeitig wurde aufgezeigt, dass SozialhilfebezieherInnen oftmals nur limitierten Zugang zu individualisierten Beschäftigungs- und Trainingsprogrammen haben, obwohl das Interesse an einer Teilnahme an unterstützenden Angeboten groß ist.

Vor diesem Hintergrund darf es nicht verwundern, dass eine einfache Integration in aktivierende Maßnahmen (welche vor allem für die Zielgruppe von Job-Ready-Personen konzipiert sind) bei SozialhilfebezieherInnen nur reduzierte Integrationserfolge verbuchen kann. Der kritisierte „work first approach“ wird zwar nicht bei allen SozialhilfebezieherInnen unpassend sein, konnte doch auch im Rahmen dieser Studie eine – allerdings kleine – Gruppe von BezieherInnen ohne besonderem Problemprofil und mit guten Vermittlungschancen ausgeforscht werden. Im Falle von SH-BezieherInnen mit multiplen Problemen in zementierten erwerbsfernen Lagen werden allerdings stufenweise und mehrdimensional ausgerichtete Unterstützungsangebote den besten mittel- oder längerfristigen Integrationserfolg verbuchen können. Wird dieser Aspekt nicht berücksichtigt, so besteht die Gefahr, dass SH-BezieherInnen wegen immer wieder kehrenden und nicht gelösten Belastungen (Stichwort AlleinerzieherInnen, Pflege, Gesundheit) zwischen dem Sozialhilfebezug und einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts hin und her pendeln (Drehtüreffekte).

Als zentrale Elemente eines solchen Angebots werden neben der bereits oben angesprochen Klärung und Begleitung durch ein persönliches Coaching vor allem individuelle und auf die persönlichen Bedarfe abgestimmte Weiterbildungsangebote in Kombination mit einem arbeitsintegrativen Instrument zu sehen sein. Dies zielt einerseits auf das Konzept von Arbeit & Lernen, wie es im Rahmen der geförderten Beschäftigung schwerpunktmäßig auch bereits umgesetzt wird, denn genau dieses Konzept hat der in dieser Studie vorgenommenen Wirkungsevaluation zufolge weit überdurchschnittliche Erfolge für sich verbuchen können. Andererseits haben uns auch die Studienergebnisse gezeigt, dass das Programm Arbeit & Lernen nicht in jedem Fall als Drittsektorangebot konzipiert werden muss: Betriebliche Eingliederungsbeihilfen haben den geförderten SozialhilfebezieherInnen eine weit überdurchschnittliche Erwerbsintegration ermöglicht. Dieses Instrument wurde nur noch durch die Kombination von vorgelagerten Aus- und Weiterbildungen und darauf folgenden Eingliederungsbeihilfen übertroffen; und dies ist auch eine Form von Arbeit & Lernen, wenngleich auch die verbindende Klammer zwischen den beiden Komponenten hergestellt werden muss (und dies ist unserer Ansicht nach eine Aufgabe des Coachings).

Diese Studie wurde im Auftrag der Stadt Wien (Magistratsabteilung 24 – Gesundheits- und Sozialplanung, Magistratsabteilung 40 – Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds waff) und des AMS Wien erstellt und in Form einer Arbeitsgemeinschaft von L&R Sozialforschung in Kooperation mit FORBA umgesetzt.

Die Publikation zur Studie kann gratis unter der E-Mail-Adresse post@ma24.wien.gv.at angefordert bzw. online unter http://www.wien.gv.at/gesundheit/einrichtungen/planung/index.html oder über untenstehenden Link abgerufen werden.

Herausgeber der Publikation: MA 24 - Gesundheits- und Sozialplanung
Anzahl der Seiten: 120
Auftraggeber*innen: MA24, MA40, waff und AMS Wien
Mitarbeiter*innen: Andreas Riesenfelder, Manfred Krenn, Susanne Schmatz
von: 2011 bis: 2011

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